CONTROLLER&CONTROLLING
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Meine „Deyhle-Regeln“

Vom 1.7.1986 bis zum 31.12.2000 war ich Trainer der Controller Akademie. Während dieser Zeit war Dr. Albrecht Deyhle als Geschäftsührer der Controller-Akademie mein fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzer. Insbesondere in den ersten drei Jahren, als er mein „ausbildender Trainer“ war. habe ich viele Tage mit ihm in Seminaren und Firmenprojekten 12 Stunden und mehr pro Tag zusammengearbeitet. In dieser Zeit habe ich immer in vorbildlicher Weise wahrgenommen. Bis heute haben mich insbesondere folgende Verhaltensweisen von ihm positiv begleitet, die ich zu „meinem Dutzend Deyhle-Regeln“ zusammengefasst habe. Neben seinem enormen Zeit- und Energieeinsatz haben mich insbesondere die Art und Weise seiner Handlungen sowie seine Einstellung zu Menschen und Problemen beeindruckt. 12 dieser Verhaltensweisen, die ich persönlich als besonders empfehlenswert für Führungskräfte und Controller empfinde, habe ich zu „meinem Dutzend Deyhle Regeln“ zusammengefasst. Hinweisen möchte ich vorab jedoch darauf, dass „Mein Dutzend Deyhle-Regeln“ eine subjektive Einschätzung und Zusammenstellung von mir ist. Regeln wurden von Dr. Deyhle normalerweise nicht explizit formuliert oder sogar zu einem Regelwerk zusammengefasst. Dabei stammen die von mir wiederholt erlebten positiven Verhaltensweisen (=Regeln) zum größten Teil aus den Jahren 1986 bis 1992, in denen ich bei Dr. Deyhle meine „Lehr- und Gesellenjahre“ in der Controller-Akademie verbrachte. Andere Personen mögen zu anderen Zeitpunkten andere Regeln erlebt haben. Ebenso ist diese Zusammenstellung meiner Deyhle-Regeln in keiner Weise eine Zusammenstellung der Erfolgskriterien von Dr. Deyhle. Viele Eigenschaften von Dr. Deyhle, wie z.B. Spontaneität, Kreativität, Durchsetzungsfähigkeit, richtiges Timing und die Kunst, andere dazu zu bringen, über sich selber lachen zu können, sind eher durch ein Selber-Erleben als durch die Aufsatzform vermittelbar.

1.

Grenzkosten und Deckungsbeiträge sind entscheidungsrelevant

Dr. Deyhles Controlling-Konzept beruht sehr stark auf der empfängerorientierten Bereitstellung und Anwendung entscheidungsrelevanter Informationen in Unternehmen. Da Entscheidungen nur nach vorne, d.h. in die Zukunft gerichtet, getroffen werden können, sind für Entscheidungen relevante Zahlen zunächst Plan- oder Vorschauzahlen. Weiterhin sind für Entscheidung relevante Zahlen dadurch gekennzeichnet, dass sie sich durch die Entscheidung verändern. Das sind bei gegebenen Kapazitäten zunächst sich verändernde Erlöse oder Kosten bzw. die Differenz aus beiden: die Deckungsbeiträge. Das ist ein wesentlicher Verdienst von Dr. Deyhle: Er fokussiert das Instrument der flexiblen Plankostenrechnung auf die Deckungsbeitragsrechnung und deren Beitrag zum Gewinn-Management. Legendär sind seine Beispiele zum Gewinnmanagement in einem Getränkestand und einem Spielwaren- Profit-Center, in denen auch jedem Nicht-Controller die Vorteile der Deckungsbeitragsrechnung gegenüber der Vollkostenrechnung innerhalb weniger Minuten deutlich werden. Einen weiteren Eckpfeiler setzt Dr. Deyhle mit der Entwicklung des Kostenwürfels. Er zeigt die Simultanität von Kostenbegriffen auf der Prozess-, Beeinflussungs- und Kontierungsebene, schafft eine richtige Trennung nach prop. Kosten/Produktkosten und fixen Kosten/Strukturkosten für die Zwecke der flexiblen Plankosten- und Deckungsbeitragsrechnung und (er-)löst viele Diskussionen über variable und fixe Kosten zwischen Managern und Controllern. Die relevanten Deckungsbeiträge sind für Dr. Deyhle eine fachliche Eintrittskarte des Controllers in die Managementberatung. Zukunftsorientierte und entscheidungsrelevante Daten sind die Grundbedingung für ein erfolgreiches Controlling, die „Conditio sine qua non“. Und dieses auch im Zeitalter der internationalen Rechnungslegung, z.B. in Form eines „erweiterten“ Umsatzkostenverfahrens.

2.

Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum,

aber der Irrtum ist lernfähig

Dr. Deyhle ist der Überzeugung, dass man im Leben durch strukturierte Planung mehr erreicht als durch ein Agieren im Sinn eines Tagelöhners. Ist man ein eher risikobereites Management, bilden die Pläne ein Commitment, das herausfordernd ist und auch eine höhere Abweichungswahrscheinlichkeit haben dürfte. Ist man eher risikoavers, geht man eher auf „Nummer sicher“, mit wahrscheinlich etwas geringeren Abweichungen. In beiden Fällen wird es aber Abweichungen geben. Wie gehe man mit diesen Abweichungen um? Betrachte man sie als sofortige Steuerungssignale und Lernimpulse für die nächste Planung oder als Schuldbeweise? Dr. Deyhles Bestreben ist es immer, die Verbindlichkeit der Planung mit der Flexibilität des Bewältigens von Abweichungen (im Forecast) zu Verbinden. Diese Verbindung ist erforderlich, um einerseits herausfordernde, ernst genommene Budgets zu erhalten, sich aber bei Abweichungen nicht statisch nach „Restplan“ zu verhalten, sondern flexibel auf die Abweichungen zu reagieren und Korrekturmaßnahmen im Forecast anzukündigen. Diesen Zusammenhang drückt Dr. Deyhle immer in seinen Zeichnungen zu Kosten- und Erlösfunktionen durch „zitternde“ Linien aus. Das „Zittern“ soll die Abweichung im Ist gegenüber einer Planfunktion symbolisieren. „Der Pfad der Tugend ist durch Abweichung gekennzeichnet. Will man sofort tugendhaft sein, geht es häufig schief“, so ein Zitat von ihm. In diesem Zusammenhang zitiert Dr. Deyhle auch gerne aus der Biografie von Papst Johannes XXIII: „Er war unnachsichtig mit der Sünde (=Abweichung) aber nachsichtig mit dem Sünder (=Manager eines Bereiches mit Abweichungen).“ Aus diesen Sätzen klingt eine tiefe Menschenkenntnis.

3.

„Now I See !“

Die US-Amerikaner benutzen diesen Ausdruck im Sinn von „Nun verstehe ich es!“ In diesem Zusammenhang ist diese Ausdrucksweise durchaus wortwörtlich zu nehmen. Besseres Verstehen kann durch bessere Sehen, d.h. „Visualisierung“ erzeugt werden. Im Zusammenhang mit Controller und Controlling sagt Dr. Deyhle gerne, dass er sich dazu nicht in der Lage fühlt, diesen Zusammenhang nur mündlich darzustellen. Zu diesem Zweck hat er immer ein zusammengefaltetes Blatt Papier in der Tasche, um bei Gesprächen Inhalte, z.B. Controller und Controlling, im Nebeneinander mit dem Gesprächspartner visualisieren zu können.

4.

Fragezeichen statt Ausrufezeichen

Dr. Deyhle wird teilweise auch als personifiziertes Fragezeichen bezeichnet. Insbesondere in Gesprächen und Vorträgen formuliert er seine Thesen häufig als Fragen, im Sinn von: „Können Sie sich vorstellen, dass …?“ Damit überlässt er dem Gesprächspartner die Autorität und das Erfolgsgefühl, selber entschieden zu haben. In dieser Weise sind Veränderungsprozesse und Entscheidungen viel schneller möglich als in den Ausdrucksweisen: „Sie müssen ….!“; „Man macht heute …!“ oder „Die Praxis sieht wie folgt aus: …..!“ Die Kunst der Fragetechnik wird auch als Mäeutik bezeichnet, was im Griechischen die Bezeichnung für die Hebammenkunst. Ein Begriff, den Sokrates, dessen Mutter Hebamme war, wählte, um darauf hinzuweisen, wie richtiges Fragen beim Befragten als „Geburtshelfer“ für neue, bessere Lösungen dienen kann.

5.

Nebeneinander sitzen

Dr. Deyhle sagt häufig, seine erste Regel für kritische Gesprächssituationen, die man auch als Konfrontationen bezeichnen kann, sei: „Raus aus dem Gegenüber!“. In dem Wort Konfrontation ist das Wort Front enthalten, dass lateinisch frons heißt und Stirn bzw. Vorderseite bedeutet. Das heißt symbolisch, dass es keine Konfrontation gibt, wenn sich Gesprächspartner nicht die Stirn oder Vorderseite zeigen, sondern nebeneinander sitzen und am visualisierten Thema arbeiten. So kann auch jeder sein Gesicht wahren.

6.

Prozessdenkweise

Ein wichtiges Ziel von Dr. Deyhle ist es immer schon gewesen, neben fachlicher Kompetenz auch die Organisationskompetenz, und hier insbesondere die kundenorientierte Prozessdenkweise, permanent weiterzuentwickeln. Er sagte einmal, dass er am meisten in den 60er Jahren als Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) in den Kaffeepausen von DIB- Seminarveranstaltungen gelernt habe. Hier praktizierte er „aktives Zuhören“ und die Kunden sagten ihm alles über ihre Zufriedenheit mit den Inhalten und den Prozessen. Ihm ist es ein sehr großes Anliegen, in einer Firma alle Prozesse aus Sicht der Kunden zu durchlaufen, insbesondere auch der Prozesse, die auf den ersten Blick nicht als Kundenprozesse aus Anbietersicht zu erkennen waren: Vorlauf-, Entscheidungs-, Zwischen- und Nachlaufphasen beim Kunden. Durch permanentes Hören auf den „Mund des Kunden“ und daraus resultierende Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesse, will er beim Kunden eine größere Zufriedenheit erzeugen als es seine Mitbewerber schaffen, die er niemals als Konkurrenten oder Wettbewerber bezeichnet; ein Ausdruck sein Co-Fähigkeiten.

7.

„Wer eine Gruppe führen will, muss ihr folgen“

Eine Gruppe ist nur schwer gegen ihren Willen zu führen. Häufig sind Ziele nur im Sinn einer „Durch-Führung“, d. h. durch die Führung von Mitarbeitern zu Zielen zu erreichen. Dabei müssen die Ziele von den Mitarbeitern erreicht werden. Dazu müssen die Mitarbeiter aber vorher überzeugt und motiviert werden. Ziele sind ihnen einsehbar darzulegen und im Sinne eines „Telling why“ zu begründen. Auf Dauer kann man eine Gruppe nicht gegen ihren Willen führen. Der Wille der Mitarbeiter ist dabei vom Leiter flexibel mit den Unternehmenszielen abzustimmen. Falsch verstandene Autorität erzeugt nur Konfrontation.

8.

Zeitmanagement

Ein Meeting fängt immer dann an, wann es geplant ist, d.h. pünktlich. Es zeugt nur von dem mangelnden Respekt gegenüber denjenigen, die pünktlich erschienen sind, wenn man sie warten lässt. Man „bestraft“ diese und „belohnt“ die Verspäteten. Dadurch werden die „Pünktlichen“ wahrscheinlich auch beim nächsten Mal zu spät kommen. Ebenso zeugt es auch vom Respekt gegenüber den Gesprächsteilnehmern, wenn man sich bemüht, das Gespräch pünktlich zu beenden, damit alle ihre nachfolgenden Termine ebenfalls pünktlich wahrnehmen können. Dr. Deyhle ist ein großer Meister der ziel- und zeitorientierten Gesprächsführung und zeigt, dass Budgets, auch die Gesprächszeit ist ein Budget, einzuhalten sind,

9.

„Die Uhren wieder auf Null stellen“

Diese Regel gehört zu den anspruchsvolleren „Deyhle-Regeln“ und setzt ein sehr positives Menschenbild voraus. Sie will darauf hinweisen, dass es negative Auswirkungen haben kann, wenn man mit schlechten Erfahrungen der Vergangenheit in ein Gespräch geht. Schlechte, vergangenheitsorientierte Erwartungen können leicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen. Deshalb sollte man insbesondere bevorstehende kritische Situationen so beginnen, als würden sie sich das erste Mal in dieser Art und Weise ereignen.

10.

Positive Verstärkung

Jeder Mensch gibt zu jedem Zeitpunkt sein Bestmögliches für seine Ziele. Wir Menschen sind aber keine perfekten Wesen, obwohl viele von uns es sehr gerne sein wollen. So ist „unser Bestes“ häufig mit Fehlern verbunden. Über diese Fehler ärgern wir uns meistens, insbesondere, wenn andere diese Fehler sehen oder diese unsere Fehler in Gegenwart Dritter erwähnen. Rational wäre es sinnvoll, einfach aus diesen Fehler zu lernen. Aber viele wählen stattdessen einfach ein Vermeidungsverhalten und treten zu einer „nächsten Runde“ gar nicht mehr an, eventuell verlieren sie durch dieses Vermeidungsverhalten sogar ihr Selbstvertrauen. Dr. Deyhle versucht daher in Gesprächen, insbesondere durch positive Wertungen eines positiven Verhaltens, das Selbstvertrauen des Gesprächsteilnehmers zu stärken. Der Gesprächspartner soll dadurch motiviert werden, in einer „nächsten Runde“ noch besser zu werden und weiterhin bestehende Schwächen zu beseitigen. Diese Form von Feedback wird als „positive Verstärkung“ bezeichnet. Muss dennoch ein negatives Verhalten einmal thematisiert werden, weil es besonders intensiv ist, versucht Dr. Deyhle zunächst einmal, die verborgene positive Absicht dieses negativen Verhaltens herauszuarbeiten, dadurch bei den Betroffenen Verständnis für die Absicht zu erzeugen und alternative, bessere Vorgehensweisen mit den Betroffenen zu entwickeln. Ist ein Verhalten ausnahmsweise einmal indiskutabel, versucht Dr. Deyhle mit dem Betroffenen im 4-Augen-Gespräch unter Einbeziehung aller hier genannten Punkte, in entspannter Atmosphäre, d.h. außerhalb einer Plenumsrunde, z.B. im Nebeneinander in einer Kaffeepause, die Situation mit „Wie-geht-es-weiter-Fragen“ lösungs- und nicht schuldorientiert zu klären. Wichtig ist ihm dabei, dass alle Beteiligten „ihr Gesicht“ wahren können.

11.

Vorbild und Großzügigkeit

Dr. Deyhle verlangt von seinen Mitarbeitern niemals etwas, was er nicht bereit ist, selber zu tun. Er ist quasi der „erste Mitarbeiter“ der Firma und führt sehr stark durch sein Beispiel. So arbeitet er z.B. immer nach dem FILO-Prinzip: FIRST IN und LAST OUT. (im Büro, Besprechungsraum, Kongresssaal etc.). Auch handelt Dr. Deyhle im Zweifel nach der Regel „in dubio pro reo (im Zweifelsfall für den Angeklagten); womit gemeint ist, dass er sich in nicht eindeutigen Situationen immer zugunsten der Kunden oder Mitarbeiter entscheidet. Schließlich ist er immer an langfristigen Verbindungen interessiert und nicht kurzfristiger Gewinnmaximierung. Insofern achtet er auf großzügige Beziehungen zu allen, die unmittelbar an der Wertschöpfungskette mitwirken: Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten. So erhält er Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Dankbarkeit, wie es auch häufig in Familienunternehmen der Fall ist.

12.

„Es gibt Menschliches und Allzumenschliches“

Diese Regel ist eine Maxime zu den meisten der hier genannten Regeln. Sie impliziert wieder, dass ein Mensch Schwächen hat, dass diese Schwächen manchmal auch nicht nachvollziehbar groß sind und dass es dennoch wenig Sinn hat, sich darüber aufzuregen, „mit dem Finger“ auf diese Schwächen zu zeigen oder gar aggressiv zu werden. Wichtig, um eine Eskalation zu vermeiden, ist zunächst, Verständnis für menschliche Schwächen aufzubringen. Ist dieses Verständnis da, auch wenn es manchmal viel Kraft bzw. Überwindung kosten mag, kann man mit der Reflexion und Bearbeitung dieser Schwächen beginnen. Diese Einstellung, „Ja“ zum Sein anderer Menschen zu sagen, trotz aller negativen Verhaltensweisen, kann man zunächst per Geburt oder durch das Elternhaus erhalten haben. Auch kann dieses Verständnis kognitiv erarbeitet werden. Schließlich kann es aber auch das Ergebnis eines langen Entwicklungsweges sein. Ein Psychologieprofessor antwortete in einem Gespräch einmal auf die Frage, was bei ihm so eine positive Einstellung gegenüber den verschiedensten Menschentypen erzeugt habe: „Viele Schicksalsschläge! Jeder Schicksalsschlag hat mich reifen lassen.“ Ich möchte auf diese Weise Herrn Dr. Deyhle und seiner Frau, die in ähnlicher Form Werte für das Controller Magazin und in der Controller-Akademie setzte, für das Begleiten-Dürfen danken und wünsche Ihnen, dass sie noch lange Zeit so positiv in ihrem Umfeld wirken mögen. Herzlichen Dank und von Herzen alles Gute!
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Meine „Deyhle-

Regeln“

Vom 1.7.1986 bis zum 31.12.2000 war ich Trainer der Controller Akademie. Während dieser Zeit war Dr. Albrecht Deyhle als Geschäftsührer der Controller-Akademie mein fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzer. Insbesondere in den ersten drei Jahren, als er mein „ausbildender Trainer“ war. habe ich viele Tage mit ihm in Seminaren und Firmenprojekten 12 Stunden und mehr pro Tag zusammengearbeitet. In dieser Zeit habe ich immer in vorbildlicher Weise wahrgenommen. Bis heute haben mich insbesondere folgende Verhaltensweisen von ihm positiv begleitet, die ich zu „meinem Dutzend Deyhle-Regeln“ zusammengefasst habe. Neben seinem enormen Zeit- und Energieeinsatz haben mich insbesondere die Art und Weise seiner Handlungen sowie seine Einstellung zu Menschen und Problemen beeindruckt. 12 dieser Verhaltensweisen, die ich persönlich als besonders empfehlenswert für Führungskräfte und Controller empfinde, habe ich zu „meinem Dutzend Deyhle Regeln“ zusammengefasst. Hinweisen möchte ich vorab jedoch darauf, dass „Mein Dutzend Deyhle-Regeln“ eine subjektive Einschätzung und Zusammenstellung von mir ist. Regeln wurden von Dr. Deyhle normalerweise nicht explizit formuliert oder sogar zu einem Regelwerk zusammengefasst. Dabei stammen die von mir wiederholt erlebten positiven Verhaltensweisen (=Regeln) zum größten Teil aus den Jahren 1986 bis 1992, in denen ich bei Dr. Deyhle meine „Lehr- und Gesellenjahre“ in der Controller-Akademie verbrachte. Andere Personen mögen zu anderen Zeitpunkten andere Regeln erlebt haben. Ebenso ist diese Zusammenstellung meiner Deyhle-Regeln in keiner Weise eine Zusammenstellung der Erfolgskriterien von Dr. Deyhle. Viele Eigenschaften von Dr. Deyhle, wie z.B. Spontaneität, Kreativität, Durchsetzungsfähigkeit, richtiges Timing und die Kunst, andere dazu zu bringen, über sich selber lachen zu können, sind eher durch ein Selber-Erleben als durch die Aufsatzform vermittelbar.

1.

Grenzkosten und

Deckungsbeiträge sind

entscheidungsrelevant

Dr. Deyhles Controlling-Konzept beruht sehr stark auf der empfängerorientierten Bereitstellung und Anwendung entscheidungsrelevanter Informationen in Unternehmen. Da Entscheidungen nur nach vorne, d.h. in die Zukunft gerichtet, getroffen werden können, sind für Entscheidungen relevante Zahlen zunächst Plan- oder Vorschauzahlen. Weiterhin sind für Entscheidung relevante Zahlen dadurch gekennzeichnet, dass sie sich durch die Entscheidung verändern. Das sind bei gegebenen Kapazitäten zunächst sich verändernde Erlöse oder Kosten bzw. die Differenz aus beiden: die Deckungsbeiträge. Das ist ein wesentlicher Verdienst von Dr. Deyhle: Er fokussiert das Instrument der flexiblen Plankostenrechnung auf die Deckungsbeitragsrechnung und deren Beitrag zum Gewinn-Management. Legendär sind seine Beispiele zum Gewinnmanagement in einem Getränkestand und einem Spielwaren- Profit-Center, in denen auch jedem Nicht- Controller die Vorteile der Deckungsbeitragsrechnung gegenüber der Vollkostenrechnung innerhalb weniger Minuten deutlich werden. Einen weiteren Eckpfeiler setzt Dr. Deyhle mit der Entwicklung des Kostenwürfels. Er zeigt die Simultanität von Kostenbegriffen auf der Prozess-, Beeinflussungs- und Kontierungsebene, schafft eine richtige Trennung nach prop. Kosten/Produktkosten und fixen Kosten/Strukturkosten für die Zwecke der flexiblen Plankosten- und Deckungsbeitragsrechnung und (er-)löst viele Diskussionen über variable und fixe Kosten zwischen Managern und Controllern. Die relevanten Deckungsbeiträge sind für Dr. Deyhle eine fachliche Eintrittskarte des Controllers in die Managementberatung. Zukunftsorientierte und entscheidungsrelevante Daten sind die Grundbedingung für ein erfolgreiches Controlling, die „Conditio sine qua non“. Und dieses auch im Zeitalter der internationalen Rechnungslegung, z.B. in Form eines „erweiterten“ Umsatzkostenverfahrens.

2.

Planung ersetzt den Zufall

durch den Irrtum,

aber der Irrtum ist lernfähig

Dr. Deyhle ist der Überzeugung, dass man im Leben durch strukturierte Planung mehr erreicht als durch ein Agieren im Sinn eines Tagelöhners. Ist man ein eher risikobereites Management, bilden die Pläne ein Commitment, das herausfordernd ist und auch eine höhere Abweichungswahrscheinlichkeit haben dürfte. Ist man eher risikoavers, geht man eher auf „Nummer sicher“, mit wahrscheinlich etwas geringeren Abweichungen. In beiden Fällen wird es aber Abweichungen geben. Wie gehe man mit diesen Abweichungen um? Betrachte man sie als sofortige Steuerungssignale und Lernimpulse für die nächste Planung oder als Schuldbeweise? Dr. Deyhles Bestreben ist es immer, die Verbindlichkeit der Planung mit der Flexibilität des Bewältigens von Abweichungen (im Forecast) zu Verbinden. Diese Verbindung ist erforderlich, um einerseits herausfordernde, ernst genommene Budgets zu erhalten, sich aber bei Abweichungen nicht statisch nach „Restplan“ zu verhalten, sondern flexibel auf die Abweichungen zu reagieren und Korrekturmaßnahmen im Forecast anzukündigen. Diesen Zusammenhang drückt Dr. Deyhle immer in seinen Zeichnungen zu Kosten- und Erlösfunktionen durch „zitternde“ Linien aus. Das „Zittern“ soll die Abweichung im Ist gegenüber einer Planfunktion symbolisieren. „Der Pfad der Tugend ist durch Abweichung gekennzeichnet. Will man sofort tugendhaft sein, geht es häufig schief“, so ein Zitat von ihm. In diesem Zusammenhang zitiert Dr. Deyhle auch gerne aus der Biografie von Papst Johannes XXIII: „Er war unnachsichtig mit der Sünde (=Abweichung) aber nachsichtig mit dem Sünder (=Manager eines Bereiches mit Abweichungen).“ Aus diesen Sätzen klingt eine tiefe Menschenkenntnis.

3.

„Now I See !“

Die US-Amerikaner benutzen diesen Ausdruck im Sinn von „Nun verstehe ich es!“ In diesem Zusammenhang ist diese Ausdrucksweise durchaus wortwörtlich zu nehmen. Besseres Verstehen kann durch bessere Sehen, d.h. „Visualisierung“ erzeugt werden. Im Zusammenhang mit Controller und Controlling sagt Dr. Deyhle gerne, dass er sich dazu nicht in der Lage fühlt, diesen Zusammenhang nur mündlich darzustellen. Zu diesem Zweck hat er immer ein zusammengefaltetes Blatt Papier in der Tasche, um bei Gesprächen Inhalte, z.B. Controller und Controlling, im Nebeneinander mit dem Gesprächspartner visualisieren zu können.

4.

Fragezeichen statt

Ausrufezeichen

Dr. Deyhle wird teilweise auch als personifiziertes Fragezeichen bezeichnet. Insbesondere in Gesprächen und Vorträgen formuliert er seine Thesen häufig als Fragen, im Sinn von: „Können Sie sich vorstellen, dass …?“ Damit überlässt er dem Gesprächspartner die Autorität und das Erfolgsgefühl, selber entschieden zu haben. In dieser Weise sind Veränderungsprozesse und Entscheidungen viel schneller möglich als in den Ausdrucksweisen: „Sie müssen ….!“; „Man macht heute …!“ oder „Die Praxis sieht wie folgt aus: …..!“ Die Kunst der Fragetechnik wird auch als Mäeutik bezeichnet, was im Griechischen die Bezeichnung für die Hebammenkunst. Ein Begriff, den Sokrates, dessen Mutter Hebamme war, wählte, um darauf hinzuweisen, wie richtiges Fragen beim Befragten als „Geburtshelfer“ für neue, bessere Lösungen dienen kann.

5.

Nebeneinander sitzen

Dr. Deyhle sagt häufig, seine erste Regel für kritische Gesprächssituationen, die man auch als Konfrontationen bezeichnen kann, sei: „Raus aus dem Gegenüber!“. In dem Wort Konfrontation ist das Wort Front enthalten, dass lateinisch frons heißt und Stirn bzw. Vorderseite bedeutet. Das heißt symbolisch, dass es keine Konfrontation gibt, wenn sich Gesprächspartner nicht die Stirn oder Vorderseite zeigen, sondern nebeneinander sitzen und am visualisierten Thema arbeiten. So kann auch jeder sein Gesicht wahren.

6.

Prozessdenkweise

Ein wichtiges Ziel von Dr. Deyhle ist es immer schon gewesen, neben fachlicher Kompetenz auch die Organisationskompetenz, und hier insbesondere die kundenorientierte Prozessdenkweise, permanent weiterzuentwickeln. Er sagte einmal, dass er am meisten in den 60er Jahren als Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) in den Kaffeepausen von DIB-Seminarveranstaltungen gelernt habe. Hier praktizierte er „aktives Zuhören“ und die Kunden sagten ihm alles über ihre Zufriedenheit mit den Inhalten und den Prozessen. Ihm ist es ein sehr großes Anliegen, in einer Firma alle Prozesse aus Sicht der Kunden zu durchlaufen, insbesondere auch der Prozesse, die auf den ersten Blick nicht als Kundenprozesse aus Anbietersicht zu erkennen waren: Vorlauf-, Entscheidungs-, Zwischen- und Nachlaufphasen beim Kunden. Durch permanentes Hören auf den „Mund des Kunden“ und daraus resultierende Maßnahmen zur Verbesserung der Prozesse, will er beim Kunden eine größere Zufriedenheit erzeugen als es seine Mitbewerber schaffen, die er niemals als Konkurrenten oder Wettbewerber bezeichnet; ein Ausdruck sein Co-Fähigkeiten.

7.

„Wer eine Gruppe führen

will, muss ihr folgen“

Eine Gruppe ist nur schwer gegen ihren Willen zu führen. Häufig sind Ziele nur im Sinn einer „Durch-Führung“, d. h. durch die Führung von Mitarbeitern zu Zielen zu erreichen. Dabei müssen die Ziele von den Mitarbeitern erreicht werden. Dazu müssen die Mitarbeiter aber vorher überzeugt und motiviert werden. Ziele sind ihnen einsehbar darzulegen und im Sinne eines „Telling why“ zu begründen. Auf Dauer kann man eine Gruppe nicht gegen ihren Willen führen. Der Wille der Mitarbeiter ist dabei vom Leiter flexibel mit den Unternehmenszielen abzustimmen. Falsch verstandene Autorität erzeugt nur Konfrontation.

8.

Zeitmanagement

Ein Meeting fängt immer dann an, wann es geplant ist, d.h. pünktlich. Es zeugt nur von dem mangelnden Respekt gegenüber denjenigen, die pünktlich erschienen sind, wenn man sie warten lässt. Man „bestraft“ diese und „belohnt“ die Verspäteten. Dadurch werden die „Pünktlichen“ wahrscheinlich auch beim nächsten Mal zu spät kommen. Ebenso zeugt es auch vom Respekt gegenüber den Gesprächsteilnehmern, wenn man sich bemüht, das Gespräch pünktlich zu beenden, damit alle ihre nachfolgenden Termine ebenfalls pünktlich wahrnehmen können. Dr. Deyhle ist ein großer Meister der ziel- und zeitorientierten Gesprächsführung und zeigt, dass Budgets, auch die Gesprächszeit ist ein Budget, einzuhalten sind,

9.

„Die Uhren wieder auf

Null stellen“

Diese Regel gehört zu den anspruchsvolleren „Deyhle-Regeln“ und setzt ein sehr positives Menschenbild voraus. Sie will darauf hinweisen, dass es negative Auswirkungen haben kann, wenn man mit schlechten Erfahrungen der Vergangenheit in ein Gespräch geht. Schlechte, vergangenheitsorientierte Erwartungen können leicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen. Deshalb sollte man insbesondere bevorstehende kritische Situationen so beginnen, als würden sie sich das erste Mal in dieser Art und Weise ereignen.

10.

Positive Verstärkung

Jeder Mensch gibt zu jedem Zeitpunkt sein Bestmögliches für seine Ziele. Wir Menschen sind aber keine perfekten Wesen, obwohl viele von uns es sehr gerne sein wollen. So ist „unser Bestes“ häufig mit Fehlern verbunden. Über diese Fehler ärgern wir uns meistens, insbesondere, wenn andere diese Fehler sehen oder diese unsere Fehler in Gegenwart Dritter erwähnen. Rational wäre es sinnvoll, einfach aus diesen Fehler zu lernen. Aber viele wählen stattdessen einfach ein Vermeidungsverhalten und treten zu einer „nächsten Runde“ gar nicht mehr an, eventuell verlieren sie durch dieses Vermeidungsverhalten sogar ihr Selbstvertrauen. Dr. Deyhle versucht daher in Gesprächen, insbesondere durch positive Wertungen eines positiven Verhaltens, das Selbstvertrauen des Gesprächsteilnehmers zu stärken. Der Gesprächspartner soll dadurch motiviert werden, in einer „nächsten Runde“ noch besser zu werden und weiterhin bestehende Schwächen zu beseitigen. Diese Form von Feedback wird als „positive Verstärkung“ bezeichnet. Muss dennoch ein negatives Verhalten einmal thematisiert werden, weil es besonders intensiv ist, versucht Dr. Deyhle zunächst einmal, die verborgene positive Absicht dieses negativen Verhaltens herauszuarbeiten, dadurch bei den Betroffenen Verständnis für die Absicht zu erzeugen und alternative, bessere Vorgehensweisen mit den Betroffenen zu entwickeln. Ist ein Verhalten ausnahmsweise einmal indiskutabel, versucht Dr. Deyhle mit dem Betroffenen im 4-Augen-Gespräch unter Einbeziehung aller hier genannten Punkte, in entspannter Atmosphäre, d.h. außerhalb einer Plenumsrunde, z.B. im Nebeneinander in einer Kaffeepause, die Situation mit „Wie-geht-es- weiter-Fragen“ lösungs- und nicht schuldorientiert zu klären. Wichtig ist ihm dabei, dass alle Beteiligten „ihr Gesicht“ wahren können.

11.

Vorbild und

Großzügigkeit

Dr. Deyhle verlangt von seinen Mitarbeitern niemals etwas, was er nicht bereit ist, selber zu tun. Er ist quasi der „erste Mitarbeiter“ der Firma und führt sehr stark durch sein Beispiel. So arbeitet er z.B. immer nach dem FILO- Prinzip: FIRST IN und LAST OUT. (im Büro, Besprechungsraum, Kongresssaal etc.). Auch handelt Dr. Deyhle im Zweifel nach der Regel „in dubio pro reo (im Zweifelsfall für den Angeklagten); womit gemeint ist, dass er sich in nicht eindeutigen Situationen immer zugunsten der Kunden oder Mitarbeiter entscheidet. Schließlich ist er immer an langfristigen Verbindungen interessiert und nicht kurzfristiger Gewinnmaximierung. Insofern achtet er auf großzügige Beziehungen zu allen, die unmittelbar an der Wertschöpfungskette mitwirken: Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten. So erhält er Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Dankbarkeit, wie es auch häufig in Familienunternehmen der Fall ist.

12.

„Es gibt Menschliches

und Allzumenschliches“

Diese Regel ist eine Maxime zu den meisten der hier genannten Regeln. Sie impliziert wieder, dass ein Mensch Schwächen hat, dass diese Schwächen manchmal auch nicht nachvollziehbar groß sind und dass es dennoch wenig Sinn hat, sich darüber aufzuregen, „mit dem Finger“ auf diese Schwächen zu zeigen oder gar aggressiv zu werden. Wichtig, um eine Eskalation zu vermeiden, ist zunächst, Verständnis für menschliche Schwächen aufzubringen. Ist dieses Verständnis da, auch wenn es manchmal viel Kraft bzw. Überwindung kosten mag, kann man mit der Reflexion und Bearbeitung dieser Schwächen beginnen. Diese Einstellung, „Ja“ zum Sein anderer Menschen zu sagen, trotz aller negativen Verhaltensweisen, kann man zunächst per Geburt oder durch das Elternhaus erhalten haben. Auch kann dieses Verständnis kognitiv erarbeitet werden. Schließlich kann es aber auch das Ergebnis eines langen Entwicklungsweges sein. Ein Psychologieprofessor antwortete in einem Gespräch einmal auf die Frage, was bei ihm so eine positive Einstellung gegenüber den verschiedensten Menschentypen erzeugt habe: „Viele Schicksalsschläge! Jeder Schicksalsschlag hat mich reifen lassen.“ Ich möchte auf diese Weise Herrn Dr. Deyhle und seiner Frau, die in ähnlicher Form Werte für das Controller Magazin und in der Controller-Akademie setzte, für das Begleiten- Dürfen danken und wünsche Ihnen, dass sie noch lange Zeit so positiv in ihrem Umfeld wirken mögen. Herzlichen Dank und von Herzen alles Gute!
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